Urbán: Unsicherheit in allem, was wir tun
Der Regisseur András Urbán, erkennbar an provozierenden und engagierten Theateraufführungen, ist der Meinung, dass die Pandemie des Corona-Virus zu einer Veränderung des Verhätnisses zu Qualität und Werten im Theater geführt hat. Urbán erwägt im Interview für SEEcult.org auch epidemiologische Maßnahmen, die Lage des Künstlers, Schwierigkeiten bei der Organisierung von Programmen sowie das Phänomen der Akzeptanz der Kontrolle der Gesellschaft, die die Pandemie zusätzlich verstärkt hat. Er glaubt, dass alles, was jetzt geschieht, einschließlich der diversen Ideologien, die in bezug auf das Überleben in der Pandemie aufgetaucht sind, eine neue Lebensweise hervorbringen wird und dass es keine Rückkehr zum Alten gibt.
Während Künstler wie er in England von der Königin persönlich ausgezeichnet und in Frankreich zu Rittern der Kunst geschlagen oder mit dem Orden der Ehrenlegion gewürdigt werden, ist es hier gut, wenn sie ungestört arbeiten können. Und András Urbán arbeitet ziemlich viel, ohne Pause - von Bitola über Sarajewo bis Ljubljana und bald auch wieder in Serbien – er führt in Sombor Regie für „König Ubu“. Das Theater „Kosztolányi Dezső” in Subotica, das unter seiner Führung steht, organisiert im November die 13. Ausgabe des Festivals Desire Central Station unter dem Slogan „The History and You“.
Seiner Meinung nach kann über die Pandemie nicht aus der Perspektive der Vergangenheit gesprochen werden.
„Das, worüber wir sprechen, ist nicht die Geschichte der Corona-Pandemie, sondern der Maßnahmen, die waren oder nicht waren. Wir haben jetzt mehr Infizierte, als in der Zeit, in der wir im Lockdown waren (während des Ausnahmezustands im Frühling 2020). OK, wir wissen jetzt, dass der Staat besser vorbereitet ist, aber es ist wiederum nicht die Geschichte über die Krankheit, über die Pandemie, sondern über die Reaktion der menschlichen Gesellschaft, des Staates auf bestimmte Momente dieses Phänomens“, sagt Urbán.
Menschen sollten, wie er betont, einsehen, dass sie eine Verantwortung gegenüber anderen Menschen haben.
„Es kann nicht eine Person der Meinung sein, dass es sich um eine gefährliche Krankheit handelt, während die andere das Entgegengesetzte denkt. Es muss einen Konsens darüber geben, um was für eine Krankheit es sich handelt und wie wir uns diesbezüglich benehmen müssen. Wir müssen mithilfe eines Konsens auf uns selbst und auf andere Menschen aufpassen“, fügt er hinzu.
Mit seiner Kritik des Verhältnisses des Staates gegenüber Künstlern in der Zeit der Pandemie, ganz besonders gegenüber nicht fest angestellten bzw. freien Künstlern, lenkt Urbán die Aufmerksamkeit auch auf Schwierigkeiten bei der Organisierung eines Festivals wie es „Desire“ ist. „Wir waren noch nie in einer so schlechten finanziellen Situation. Das Festival wird länger dauern – wegen der abgesprochenen Termine musste es so sein. Wir haben für jeden Fall auch einen Plan B und – wir kommen auf den Anfang unseres Gesprächs zurück – eine neue, spezifische Art der Existenz … Letztes Jahr haben wir das Festival in Bedingungen organisiert, die ich niemandem wünschen würde. Einerseits war es wunderbar, dass wir uns zurechtgefunden hatten, alle fühlten sich in diesem Wahnsinn wie Helden: Teilnehmer, Organisatoren, das Publikum; andererseits bedeutete es eine alltägliche Anpassung wegen der Maßnahmen, Absagen von am vorigen Tag abgemachten Dingen, Reserveprogramme und unentwegt das Dilemma: Was, wenn es nicht klappt, was, wenn es anders wird. Das war wirklich stressig“, führt Urbán an und fügt hinzu, dass sich die Maßnahme der Ausnahme von Theatern und Kinos aus dem Paket der epidemiologischen Maßnahmen als rettend gezeigt hat.
„Das war ein wichtiger Moment, denn Theater können nicht im gleichen Korb sein wie Gastgewerbe. Ich habe natürlich nichts gegen Gastgewerbe, ganz im Gegenteil, aber es können nicht alle die gleiche Behandlung haben. Das Verhalten in einem Café, in das auch ich gehe, ist nicht das gleiche wie in einem Theater“, führt Urbán an und kündigt für das Festival „Desire“ ca. 15 Programme an – unter anderem die neueste Aufführung von Josef Nadj „OMMA“, die letzte Aufführung des verstorbenen Igor Vuk Torbica „Angst“, seine eigenen Stücke „Mephisto“ und „History of Motherfuckers“ aus Bitola sowie Aufführungen aus Bosnien, Kroatien, Frankreich, Ungarn und Montenegro.
*Das ganze Interview (in serbischer Sprache) ist auf diesem Link zugänglich.
(SEEcult.org)
Gefördert mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung 2021 des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, des Goethe-Instituts und weiterer Partner, www.goethe.de/hilfsfonds